Clegg & Guttmann - 7. Kunstflâneur 2024

Zukünftig werde ich im Kunstflâneur auch Werke im öffentlichen Raum empfehlen, die abgebaut wurden und die ich vermisse. Den Anfang macht das Projekt „Die offene Bibliothek“ von Clegg & Guttmann, für das ich 1993 als Studentin der Angewandten Kulturwissenschaften mitgearbeitet habe. Als Teil der Gruppenausstellung „Backstage“ des Kunstvereins in Hamburg, wurde damit der neue Standort am Klosterwall eröffnet.

An drei Plätzen in Hamburg (Volksdorf, Kirchdorf-Süd und Barmbek) wurden Verteilerkästen, die den Hamburger Elektrizitätswerken (HEW) gehörten, zu Bücherschränken umfunktioniert. Das technische Innenleben wurde entfernt und Regale sowie Glastüren eingebaut. Per Wurfsendung wurden die Bewohner:innen der jeweiligen Stadtteile über das Projekt informiert und um Bücherspenden gebeten, die wir Studierenden persönlich abholten. Diese Bücher gehörten dann zum Grundstock der Bibliothek des jeweiligen Standortes. Ich gehörte zum Team Barmbek und erinnere mich an einige besondere Treffen mit Anwohner:innen, die uns zu Kaffee und Kuchen einluden, und sehr persönliche und lustige Geschichten über die Bücher, das Viertel oder ihre Nachbarn erzählten.

Um möglichst sehr unterschiedliche Stadtteile und Bürger:innen in Hamburg mit ihrem Projekt anzusprechen, wurden die drei Orte bewusst von den Künstlern ausgewählt. Bereits seit 1980 arbeiten Michael Clegg (*1957) und Martin Guttmann (*1957) als Künstlerduo zusammen, wobei der Schwerpunkt ihrer gemeinsamen Arbeit auf fotografischen Projekten und Installationen liegt. „Die offene Bibliothek“ ist eine partizipative Installation im urbanen Raum sowie ein Porträt von Nachbarschaften.

Nachdem „Die offene Bibliothek“ eingeräumt und der Öffentlichkeit an allen drei Standorten übergeben wurde, konnte jeder rund um die Uhr kommen, den Bücherschrank öffnen, Publikationen entnehmen, zurückbringen oder hinzufügen. Erstmalig wurde das Projekt in Europa 1991 im österreichischen Graz präsentiert, anschließend in Hamburg und 1994 in Mainz im Kontext von „Kunst im öffentlichen Raum“. Mittlerweile hat sich die Idee und das Kunstwerk verselbstständigt und dient als Vorbild zahlreicher Initiativen bundesweit, wie zum Beispiel in Hamburg die roten Bücherregale in den Metrobussen des VHH, die in Kooperation mit dem Gebrauchtwaren-Kaufhaus Stilbruch angeboten werden.

Neben ihrer gemeinsamen Arbeit sind beide Künstler auch als Hochschullehrer tätig: Clegg ist Professor an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe und Guttmann ist Professor an der Akademie der Bildenden Künste Wien.

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